Rezension zu "Leben und Leben lassen"

Hessische Allgemeine vom Mittwoch, 6.Oktober 2004 (KulturKreisKassel)

Satirisches, Biografisches
Rüdiger Neukäter hat ein neues Buch herausgebracht

Von Verena Joos, Kassel

„Leben und Leben lassen“ heißt das neue Buch von Rüdiger Neukäter, eben im Wiesenburg Verlag erschienen. Darin hat der Preisträger der Kasseler Literaturbörse von 2002 und 2004 29 Glossen, Kurzgeschichten und essayistische Betrachtungen versammelt, die in diesem Jahr preisgekrönte Satire „Fitness, Zeitgeist inbegriffen“ ist auch in der Anthologie enthalten. 29 Miniaturen mit enormer stilistischer Bandbreite, doch immer ist die Person und Biografie des Wahl-Kasselers im Sprach- und Erzählgeflecht spürbar. Manchmal mehr – wie in der selbstironischen Glosse über den Zahn der Zeit „Wir werden alle nicht jünger“, manchmal weniger – wie in der bitterbösen Hänsel- und Gretelgeschichte „Frostige Zeiten“. Seine Satiren leben von tollkühnen Szenarien und Grundbehauptungen, wobei bisweilen die Fabulier-Luft nicht ganz bis zur Pointe reicht.

Am stärksten, am berührendsten aber ist Neukäter da, wo er ganz nah bei sich ist, wo er mit Dezenz und Delikatesse Persönlichstes preisgibt. Emotionaler Höhepunkt ist „Ein Gefäß voll Leben", mit Bedacht ans Ende des Bandes gesetzt. Es ist die Auseinandersetzung mit dem Tod des Vaters, in einer Phase des Verarbeitens verfasst, die in allem Schmerz der Einsicht in die Unabwendbarkeit der letzten Dinge transparent werden lässt. Eine Sternstunde der Verknüpfung von gegenwärtiger Selbstvergewisserung und Versenkung in die Vergangenheit, zutiefst nachvollziehbar, gar tröstlich für jeden, der sich eines Tages unversehens als „Hinterbliebener" sieht. Viele Geschichten in Neukäters Buch sind gelungen. Diese ist mehr als gelungen. Sie ist zutiefst wahrhaftig.